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Über die Jahrhunderte hat sich in der Schweiz bei Kulturpflanzen eine enorme Vielfalt entwickelt. Viele Landsorten wurden wie Schätze gehütet und von Generation zu Generation weitergegeben. Mit der Mechanisierung änderten sich die Produktionsbedingungen drastisch. Die Vielfalt drohte zu verschwinden. Heute genügen die meisten alten Lokalsorten den Ansprüchen aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr. Oft können sie punkto Anbaueigenschaften, Ertrag oder Lagereigenschaften, aber teilweise auch wegen ihrem Aussehen oder Geschmack nicht mit modernen Sorten mithalten. Für die Züchtung von neuen Sorten und als Kulturgut sind sie aber von unschätzbarem Wert.

Auf Suche nach der Vielfalt

Um dem Verlust der Vielfalt bei den Nutzpflanzen entgegenzuwirken, wurde 1997 der «Nationale Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft» (NAP-PGREL) ins Leben gerufen. Seit 1999 werden in Zusammenarbeit mit Vereinen, Stiftungen, öffentlichen Institutionen und KMU alte Schweizer Nutzpflanzensorten aufgespürt, beschrieben und erhalten. Mit der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privaten stellt der schweizerische Aktionsplan im internationalen Vergleich eine Besonderheit dar.
 

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Die verschiedenen Sorten der Obstsammlung in Höri blühen nicht alle gleichzeitig. © Klaus Gersbach, Fructus.

Schon bevor der Nationale Aktionsplan in Kraft trat, haben verschiedene Organisationen Lokalsorten gesammelt. Ab 1999 wurde erstmals im Rahmen des NAP-PGREL systematisch die noch vorhandene Vielfalt erhoben. Dass noch nicht alles verschwunden war, zeigt sich eindrücklich beim Obst: Die vielen Herkünfte, die gefunden wurden, stammen von rund 2500 voneinander klar unterscheidbaren Sorten. Jede dieser Sorten wird an mindestens zwei Standorten erhalten. Fast die Hälfte der 21 000 Obstbäume, die über die Schweiz verteilt in den 48 Sammlungen stehen, sind Apfelbäume, jeweils ein Viertel entfällt auf Steinobst- und Birnbäume.

Strukturierung der Vielfalt

Nicht bei allen Kulturen wird die ganze Vielfalt in Sammlungen erhalten. Bei Kastanien beispielsweise ist und war schon immer die grosse Vielfalt in den Wäldern zu finden. Die Erhaltung in Sammlungen beschränkt sich darum auf wenige ausgewählte Herkünfte, von denen man sicher weiss, dass sie genutzt wurden. Während es im Tessin zu vielen Sorten kulturhistorische Belege gibt, fehlen diese in der Romandie und in der Deutschschweiz fast komplett. Dort wurde anhand von genetischen Studien ausgewählt, welche Herkünfte in die Sammlungen aufgenommen werden sollen. Mit diesem Vorgehen kann die genetische Vielfalt möglichst gut abgebildet werden und gleichzeitig wird haushälterisch mit den vorhandenen finanziellen Mittel umgegangen.

Auch bei anderen Kulturen wurde gezielt eine Gruppe von Herkünften ausgewählt, die die Vielfalt möglichst gut abbilden. Diese sogenannten Kernsammlungen ermöglichen nicht nur einen effizienten Mitteleinsatz, vor allem erleichtern sie durch die übersichtliche Grösse eine Nutzung, beispielsweise durch interessierte Züchter. Durch die Konzentration auf weniger Herkünfte sind vertiefte, direkt vergleichbare Beschreibungen möglich. In den letzten vier Jahren wurden bei den besonders grossen Kulturen wie Apfel, Birne und Getreide Kernsammlungen definiert.

Nutzung der Vielfalt

Ein wichtiger Aspekt des Nationalen Aktionsplans ist, dass zu allen Herkünften, die erhalten werden, auch Zugang zu Pflanzenmaterial gewährt wird. Die meisten Anfragen diesbezüglich gehen an die Genbank von Agroscope, wo Getreide- und Gemüsesamen von mehr als 10 000 verschiedenen Sorten lagern. Aber auch Pflanzgut von Obst, Beerenobst und Reben wird von nationalen und internationalen Erhaltungsorganisationen oder Züchtern nachgefragt.
 

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50 verschiedene Paprikasorten wurden im Rahmen eines NAP-PGREL Projektes morphologisch beschrieben und degustiert. © CPC-SKEK.


Im Rahmen des Aktionsplans konnten in den letzten vier Jahren erstmals vermehrt Projekte unterstützt werden, die die Vielfalt nutzen möchten. In den fast 40 Projekten werden alte Sorten und Landsorten vertieft beschrieben, insbesondere hinsichtlich agronomischer oder sensorischer Eigenschaften, oder weiterentwickelt. Alle haben zum Ziel, die Sortenvielfalt auf dem Feld oder im Garten wieder zu erhöhen und auf die Teller der Konsumentinnen und Konsumenten zu bringen.
 

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Christina Kägi, BLW, Fachbereich Genetische Ressourcen und Technologien, christina.kaegi@blw.admin.ch

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