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Ausgangslage

In der Schweiz wie generell in Europa treten Schadorganismen, die aus anderen Kontinenten stammen und die Gesundheit von Kultur- und Waldpflanzen bedrohen, vermehrt auf. Gründe dafür sind einerseits der zunehmende internationale Handel mit Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen und der wachsende internationale Reiseverkehr, anderseits der Klimawandel. Mit der Zunahme der Handelsvolumen steigt das Risiko der Einschleppung von besonders gefährlichen Schadorganismen, mit der Klimaerwärmung wird die Ansiedlung wärmeliebender Organismen begünstigt.

Ausbrüche von Pflanzenschädlingen und -krankheiten verursachen schwere Einbussen bei der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Produktion. Wird ein Befall erst spät entdeckt, ist mit hohen und langdauernden Folgekosten zu rechnen. Um diesen Gefahren entgegenzuwirken, hat der Bundesrat am 31. Oktober 2018 eine neue Verordnung verabschiedet: die Pflanzengesundheitsverordnung (PGesV; AS 2018 4209), die ab 1. Januar 2020 die Pflanzenschutzverordnung (PSV; SR 916.20) ablöst. Dadurch soll insbesondere die Prävention gegen die Einschleppung und Ausbreitung besonders gefährlicher Schadorganismen gestärkt werden.

Kompatibilität mit IPPC und EU-Recht

Die Bestimmungen der PGesV sind im Einklang mit dem Internationalen Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC; SR 0.916.20) sowie mit der in der EU ab 14. Dezember 2019 geltenden Verordnung (EU) 2016/2031 über Massnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen (ABl. L 317 vom 23.11.2016, S. 4). Seit dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweiz und der EU über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (bilaterales Landwirtschaftsabkommen CH-EU; SR 0.916.026.81) bildet die Harmonisierung mit dem Pflanzengesundheitsrecht der EU nach wie vor einen Schwerpunkt.

Gemeinsamer phytosanitärer Raum

Die Schweiz und die Mitgliedstaaten der EU bilden zusammen einen gemeinsamen phytosanitären Raum, in welchem Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse praktisch ohne phytosanitäre Kontrolle an der Grenze ausgetauscht werden. Mit den neuen Rechtsakten der beiden Parteien soll dieser gemeinsame Raum erhalten bleiben, so dass trotz ihrer Straffung die Voraussetzungen für die Einfuhr und das Inverkehrbringen geregelter pflanzlicher Waren in der Schweiz und in den Mitgliedstaaten äquivalent bleiben. Ab 2020 sollte daher am grenzüberschreitenden Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU im phytosanitären Bereich nichts ändern, wenn der für die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzenmaterialien (Jungpflanzen, Stecklinge, Edelreiser, Samen, usw.) erforderliche Pflanzenpass gegenseitig anerkannt wird. Daher wird der bessere Schutz vor der Einschleppung und Ausbreitung von Pflanzenschädlingen und -krankheiten nicht nur in der Schweiz, sondern de facto auf Ebene des Kontinentes angestrebt.

Was in der PGesV grundsätzlich nicht ändert

In der PGesV bleiben die grundlegenden Bestimmungen betreffend die Quarantäneorganismen bestehen – wie beispielsweise das Verbot mit solchen Organismen umzugehen, die Melde- und Bekämpfungspflicht, das Einfuhrverbot für bestimmte Waren, die als gefährliche Trägermaterialien gelten, sowie die spezifischen phytosanitären Voraussetzungen, welche die zur Einfuhr bestimmten Waren erfüllen müssen.

Was ist neu in der PGesV?

Das Spektrum der geregelten pflanzlichen Waren wird ausgedehnt. Aufgrund des Vorsorgeprinzips werden zudem zusätzliche Waren a priori einem Einfuhrverbot unterstellt. Dies betrifft vor allem Pflanzen, die zum Anpflanzen bestimmt sind, da Schädlinge und Krankheiten sich bekanntlich mit befallenem Pflanzgut am effizientesten ausbreiten. Derartige Verbote bleiben in Kraft solange kein Exportland die Anerkennung eines phytosanitären Verfahrens, das hinsichtlich der Befallsfreiheit einer verbotenen Ware Gewähr leistet, beantragt. Wird das Verfahren anerkannt, hebt die Schweiz das Einfuhrverbot für das betreffende Exportland auf.

Weitere wichtige Änderungen im Überblick

  • Besonders gefährliche Schadorganismen werden neu in drei Hauptkategorien unterteilt:

  1. Quarantäneorganismen sind besonders gefährliche Schadorganismen von potenzieller wirtschaftlicher Bedeutung, die in der Schweiz nicht vorkommen oder zwar vorkommen, aber noch nicht weit verbreitet sind.

  2. Besonders gefährliche Schadorganismen, die in der Schweiz diffus verbreitet sind, in bestimmten Gebieten aber noch nicht auftreten und dort ein hohes Schadpotenzial aufweisen, werden als «Schutzgebiet-Quarantäneorganismen»bezeichnet. Sie besitzen nur in den für sie ausgeschiedenen Schutzgebieten den Status eines Quarantäneorganismus, nicht aber in der übrigen Schweiz. Dies wird der Fall des Kantons Wallis bezüglich des Feuerbrandes sein.

  3. In Übereinstimmung mit dem IPPC wird die neue Kategorie «geregelte Nicht-Quarantäneorganismen»geschaffen. Es handelt sich dabei weiterhin um besonders gefährliche Schadorganismen, die in der Schweiz jedoch schon weitverbreitet sind und hauptsächlich über Pflanzgut und weitere Vermehrungsmaterialien verbreitet werden. Aufgrund ihrer Verbreitung erfüllen sie die Kriterien für einen Quarantäneorganismus nicht mehr. Da ihr Auftreten auf oder im Pflanzgut allerdings nicht annehmbare ökonomische Folgen hat, müssen hinsichtlich des Inverkehrbringens des Pflanzgutes phytosanitäre Massnahmen ergriffen werden. Zu den geregelten Nicht-Quarantäneorganismen gehören insbesondere die aus der Zertifizierung bekannten «Qualitätsorganismen» wie z. B. der Pulverschorf der Kartoffel, Spongospora subterranea.

  • Prioritäre Quarantäneorganismen

    Um die verfügbaren Ressourcen bei Bund und Kantonen gezielt und risikobasiert einzusetzen, werden rund 10 % der Quarantäneorganismen neu als «prioritäre Quarantäneorganismen» eingestuft. Aufgrund einer Risikoevaluation wird davon ausgegangen, dass von ihnen die grössten ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen zu erwarten sind, sollten sie sich in der Schweiz ansiedeln. Für die «prioritären Quarantäneorganismen»sind verstärktePräventionsmassnahmen vorgesehen: intensivere Überwachung, zielgruppenspezifische Sensibilisierung, Erstellung von Notfall- und Aktionsplänen und Durchführung von Kursen mit Übungen (Simulationsübungen), welche die Ausbildung der zuständigen Stellen für die Ereignisbewältigung vorsehen.

  • Ausweitung der Pflanzenpasspflicht und Anpassung des Pflanzenpassformats

    Die Pflanzenpasspflicht wird auf sämtliche zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen ausgedehnt und sowohl das Systemwie auch das Format des Pflanzenpasses vereinheitlicht. Der Pflanzenpass wird neu in jedem Fall eine Etikette sein, die von den dafür zugelassenen Betrieben auf der Handelseinheit angebracht werden muss.

  • Stärkung der Eigenverantwortung

    Die im Rahmen des Pflanzenpasses zugelassenen Betriebe müssen künftig ihre Eigenverantwortung vermehrt wahrnehmen. Zwar müssen diese Betriebe grundsätzlich bereits heute die phytosanitäre Kontrolle der von ihnen in Verkehr gebrachten Waren durchführen, diese Pflicht wird jedoch nun ausdrücklich in der Verordnung festgehalten. Die Frequenz der amtlichen Kontrollen eines zugelassenen Betriebes hängt zukünftig davon ab, wie gross das von ihm ausgehende phytosanitäre Risiko ist (u.a. aufgrund des Betriebstyps und der Waren, mit denen er umgeht) und wie dieser Präventionsmassnahmen umsetzt (Betriebe haben die Möglichkeit, einen Risikomanagementplan zu erstellen, den sie nach Genehmigung umsetzen).

  • Delegationsnormen

    Die Festlegung weiterführender technischer Bestimmungen sowie der Erlass der Listen der besonders gefährlichen Schadorganismen und der phytosanitären Bestimmungen unterliegenden Waren werden an das WBF und das UVEK delegiert. Wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, ändert sich insbesondere wegen des regen globalen Warenhandels die Gefährdung durch einzelne Organismen oder Warengruppen sehr rasch. Die Organismen- und Warenlisten müssen diesem Umstand Rechnung tragen und daher häufiger geändert werden können. Sie sind deshalb neu nicht mehr in der Bundesratsverordnung zu finden, sondern werden in einer interdepartementalen Verordnung (PGesV-WBF-UVEK) verankert. Dringende Bestimmungen rein technischer oder administrativer Natur werden wie bisher an das BLW delegiert.

Besonders gefährliche Schadorganismen für den Wald: Zusammenarbeit BAFU-BLW

Weil es praktisch von allen Pflanzengattungen, die als Waldpflanzen gelten, auch Zierformen gibt, enthält die PGesV auch Bestimmungen betreffend besonders gefährlichen Schadorganismen für den Wald. Aus diesem Grund arbeitet das BAFU in diesem Bereich eng mit dem BLW zusammen. BAFU und BLW bilden zusammen den Eidgenössischen Pflanzenschutzdienst. Aus diesem Grund sind UVEK und WBF zusammen für die sogenannte interdepartementale Pflanzengesundheitsverordnung (PGesV-WBF-UVEK) zuständig.

Alfred Kläy, BLW, Fachbereich Pflanzengesundheit und Sorten, alfred.klay@blw.admin.ch

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